Teterow (Mecklenburg-Vorpommern)

Mecklenburg-Vorpommern || SparkassengeschichtsblogBildergebnis für kreis rostock ortsdienst karte Teterow ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 8.500 Einwohnern im Landkreis Rostock – ca. 45 Kilometer südöstlich der Hansestadt gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Rostock', aus: ortsdienst.de/mecklenburg-vorpommern/landkreis-rostock).

 

Die Existenz von Juden in Teterow fand erstmals 1492 Erwähnung, nachdem mehrere Teterower Juden wegen angeblicher Hostienschändung öffentlich verbrannt wurden. Die anderen hier lebenden Juden mussten die Stadt verlassen; in den folgenden zwei Jahrhunderten gab es dann in Teterow keine dauerhafte Ansiedlung jüdischer Familien.

Erst Mitte des 18.Jahrhunderts lebten wieder einige „Schutzjuden“ in der Kleinstadt; einer Steuerliste aus dem Jahre 1760 zufolge scheint der erste Schutzjude von Teterow ein gewisser Jacob Samuel gewesen zu sein. Wenige Jahre später erhielten weitere Juden Schutzbriefe, die gegen eine jährliche Zahlung von zwölf Reichstalern gewährt wurden.

1762 ist die Anlage eines jüdischen Friedhofes auf dem Gerichtsberg vor dem Malchiner Tor belegt. Er konnte gegen die Entrichtung einer jährlichen Gebühr an die Stadtkämmerei benutzt werden.

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts wurden weitere Juden mit ihren Familien hier ansässig, wodurch die sich inzwischen gebildete Gemeinde nun finanziell in der Lage war, die Errichtung eines Synagogengebäudes anzugehen; dieses wurde im Jahre 1805 auf einem Hofgelände in der Großen Knickhäger Straße gebaut. Hier fanden bis zur Jahrhundertwende regelmäßig Gottesdienste statt.

1836 gaben sich die Teterower Juden eine eigene Gemeindeordnung, die elf Jahre später durch eine neue, vom Landesherrn verordnete abgelöst wurde, in der es u.a. hieß:

„ ... Die jüdischen Einwohner bilden in Bezug auf die Angelegenheiten des Rituals in und außerhalb der Synagoge, sowie auf das Religions- und Schulwesen, die Begräbnis- und Armen-Einrichtungen eine Gemeinde. Stimmberechtigt sind die männlichen Gemeindemitglieder mit Einwohnerrecht und mit selbständigem Erwerb oder die von ihrer Rente leben. ... ... Der Gemeinde wird eine obrigkeitliche Person als Patron zugeordnet, und wird die Gemeinde in allen ihren Vermögens- und Verwaltungsangelegenheiten und Rechtsverhältnissen sowohl gegen Behörden und dritte Personen, als gegen einzelne Gemeindemitglieder durch den Patron und von ihr zu erwählenden Vorstand vertreten. Der Patron wird vom Magistrat zu Teterow, unter tunlichster Berücksichtigung der Wünsche der jüdischen Gemeinde, aus seiner Mitte ernannt.”

Besaß die Gemeinde noch im 19. Jahrhunderts zeitweise einen eigenen Religionslehrer, war das nach 1890/1900 nicht mehr der Fall. So griff man auf einen „Wanderlehrer“ aus Stavenhagen zurück, der daneben noch weitere kleinere Gemeinden betreute.

Zur Gemeinde gehörten auch die wenigen Juden aus Dargun und Stavenhagen.

Juden in Teterow:

         --- um 1770 ........................    6 jüdische Familien,

    --- 1810 ...........................   68 Juden (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1830 ...........................  112   “  ,

    --- 1845 ...........................  116   “  ,

    --- 1855 ...........................   99   “  ,

    --- 1869 ...........................   96   “  ,

    --- 1890 ...........................   74   “  ,*    *incl. Dargun und Stavenhagen

    --- 1905 ...........................   29   “  ,

    --- 1910 ...........................   25   “  ,

    --- 1925 ...........................   33   “  ,

    --- 1933 ...........................   17   “  ,

    --- 1935 ...........................   18   “   (in fünf Familien),

    --- 1937 (April) ...................   13   “  ,

    --- 1942 (Dez.) ....................   keine.

Angaben aus: Irene Dieckmann (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Mecklenburg-Vorpommern, S. 283

und                 J.Gramenz/S.Ulmer, Jüdisches Leben in Teterow

 

Die Juden Teterows bestritten ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch Handel, insbesondere spielte hier hier der Wollhandel eine größere Rolle; daneben gab es aber auch Handwerker. 1849 erhielten 15 einheimische jüdische Kauf- und Handelsleute in Teterow das Bürgerrecht zugestanden. 

Ihren zahlenmäßigen Zennit hatte die Teterower Gemeinde bereits um 1845 überschritten; Überalterung und Abwanderung ließen die Gemeinde in den Folgejahrzehnten allmählich schrumpfen.

Teterow Malchiner Strasse.jpg Teterow Rostockerstrasse.jpg

Malchiner Straße und Rostocker Straße auf hist. Postkarten (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten in Teterow noch etwa 25 Juden; dabei handelte es sich um fünf Geschäftsleute mit ihren Familien.

Am reichsweit angekündigten Boykotttag gegen jüdische Geschäfte am 1.4.1933 postierten sich auch in Teterow SA-Männer vor den drei noch verbliebenen jüdischen Geschäften (Produktenhandel Samuel, Lederhandlung/Schuhgeschäft Wechsler und Manufakturwaren/Konfektionsgeschäft Rosenzweig). Doch besonders die ländliche Bevölkerung ließ sich nicht abhalten, dort weiterhin einzukaufen. Als Mitte 1935 in Teterow insgesamt nur noch 18 Juden lebten und weitere Ab- bzw. Auswanderung wahrscheinlich war, wurde die israelitische Gemeinde wenig später aufgelöst; Rechtsnachfolgerin war die Kultusgemeinde Rostock.

Ende Oktober 1938 wurde im Rahmen der sog. „Polenaktion“ der jüdische Kaufmann Rosenzweig ausgewiesen.

In den frühen Morgenstunden des 10.November 1938 wurden bei den beiden jüdischen Geschäften Teterows (Wechsler und Rosenzweig) Schaufensterscheiben zertrümmert, die Läden zum Teil ausgeraubt und demoliert. Das unbenutzte Synagogengebäude wurde zerstört, der Dachstuhl teilweise abgerissen. Wenige Wochen danach wurde das Gebäude ganz niedergelegt, da „die Synagoge derart baufällig ist, daß sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt.” Der jüdische Friedhof in Teterow blieb - vermutlich wegen seiner abseitigen Lage - von Verwüstungen weitestgehend verschont.

Während einige jüdische Familien noch vor Kriegsbeginn Teterow verließen, blieben bis 1942 nur noch vier jüdische Einwohner, die Gebrüder Otto u. Martin Samuel mit ihren Ehefrauen, zurück. Mitte November 1942 wurden sie - via Berlin - ins "Altersghetto" Theresienstadt verschleppt; alle vier kamen ums Leben.

Am Eingang zum jüdischen Friedhof wird der Besucher auf einer Tafel detailliert über die Geschichte der Begräbnisstätte informiert. Insgesamt weist das ca. 2.800 m² große Areal noch 74 original erhaltene Grabmale auf; die letzte Bestattung fand hier 1932 statt.

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Eingangstor/Grabsteine - jüdischer Friedhof Teterow (Aufn. J. Hahn, 2017 und Tourist-Info Teterow, 1979)

Eine der beiden an den Eingangspfeilern angebrachten Tafeln informiert über die Historie des Begräbnisgeländes; die andere Tafel weist den Besucher auf sein Verhalten auf dem "Guten Ort" hin.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20417/Teterow%20Friedhof%20P1010465.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20417/Teterow%20Friedhof%20P1010464.jpg Aufn. J. Hahn, 2017

Der Teterower Friedhof zählt heute zu den besterhaltenen jüdischen Begräbnisplätzen Mecklenburgs. Am jüdischen Friedhof und am einstigen Standort der Synagoge in der Großen Knickhäger Straße wurden 1988 Gedenktafeln aufgestellt; eine Tafel trägt die Inschrift:

Auf dem Hofe dieses Hauses befand sich bis 1938 die Synagoge der Teterower Judengemeinde.

Nach der Demolierung durch die Faschisten in der “Kristallnacht” erfolgte der Abbruchbefehl.

Die jüdischen Bürger wurden im gleichen Jahr deportiert und später ermordet.

Zum Gedenken

November 1988

Im März 2009 wurde eine neue Gedenktafel für die ehemalige Synagoge enthüllt, nachdem die alte durch „unbekannte Täter“ schwer beschädigt worden war.

Eine Teilnahme am sog. "Stolperstein"-Projekt ist in Teterow noch nicht ernsthaft erwogen worden.

 

 

 

Weitere Informationen:

Leopold Donath, Geschichte der Juden in Mecklenburg von den ältesten Zeiten (1266) bis auf die Gegenwart (1874), Leipzig 1874

Georg Krüger, Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz, Band 1, Neubrandenburg 1921

Carl August Endler, Die Juden in Mecklenburg, in: Mecklenburg, Werden und Wachsen eines Gaues, Leipzig 1938, S. 257 ff. (Anm.: stark antisemitisch gefärbt)

Jürgen Tack, Die “Endlösung der Judenfrage in Mecklenburg von 1933 - 1945 (unter besonderer Berücksichtigung Rostocks), Staatsexamensarbeit Universität Rostock, Rostock 1969

Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Dresden 1990, Band III, S. 1131 f.

Zeugnisse jüdischer Kultur - Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Tourist Verlag GmbH, Berlin 1992, S. 71

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (NeueBundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 637/638

Jürgen Borchert/Detlef Klose, Was blieb ... Jüdische Spuren in Mecklenburg, Verlag Haude & Spener, Berlin 1994, S. 90 - 92

Gerhard Stuhr, Zur Geschichte der Mecklenburgischen und Teterower Juden Teterow 1996 (Manuskript im Kommunalarchiv Teterow)

Irene Dieckmann (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Mecklenburg-Vorpommern, Verlag für Berlin Brandenburg, Potsdam 1998, S. 279 ff.

Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus - Eine Dokumentation II, Hrg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1999, S. 477 - 479

Heinz Hirsch, Spuren jüdischen Lebens in Mecklenburg, in: "Geschichte Mecklenburg-Vorpommern", No. 6, Schwerin 2001

Materialsammlung zur jüdischen Gemeinde in Teterow”, bearb. vom Stadtarchivar Willamowius, Teterow 2001

Bernd Kasten, Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938 – 1945, Hrg. Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2008, S. 76/77

Hans-Jürgen Lange, Erinnerungen nach über 70 Jahren. Zur Geschichte der jüdischen Synagoge und der Familie Samuel, in: "Teterower Zeitung", 9/2009, 4, S. 23

Eberhard Rogmann (Red.), Gedenken an ermordete Juden – Stolperstein: Gnoien kniet nieder – und Teterow?, in: „Nordkurier“ vom 7.2.2016

Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Ehemaliges jüdisches Leben in Teterow, in: Geschichte der Juden in Mecklenburg, Aufsatz vom 6.7.2016, in: juden-in-mecklenburg.de/Orte/Teterow

Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Jüdischer Friedhof in Teterow, in: Geschichte der Juden in Mecklenburg, Aufsatz vom 6.7.2016, online abrufbar unter: juden-in-mecklenburg.de/Friedhoefe/Juedischer_Friedhof_Teterow

Anm.: Angaben zur jüdischen Gemeinde differieren teilweise in den verschiedenen Publikationen.